Der Hirschpark am Hamburger Elbhang

Eine Parkschöpfung aus drei Jahrhunderten

Erschienen in: stadt + grün, 10/2010, S. 52-57

   

„Wer nicht in deinem Schoos, Natur!
Auf Weisheit sinnt, Empfindung thränt
Zu Gott sich hebt und Freunde sehnt,
Der liebt Dich nicht, er nennt Dich nur.“ 
Inschrift um 1792 im Garten Godeffroy[i]

 

Heute zählt der gut 24 ha große Hirschpark in Hamburg-Blankenese mit seinem Damwildbestand, der alten, doppelreihigen Lindenallee und einem riesigen Bergahorn zu den bedeutendsten Grünanlagen am hohen Elbufer der Stadt. Ursprünglich war er ein Privatgarten der Kaufmannsfamilie Godeffroy und erhielt seinen Namen erst mit der Anlage eines Hirschgatters in der Mitte des 19. Jahrhunderts. Etwa die Hälfte seiner Fläche bedeckt Buchenwald, ein Drittel ist als Wiesenfläche ausgebildet, der Rest verteilt sich auf Strauch- und Krautzonen. Botanisch besonders interessant ist die krautige Vegetation an den sonnigen Elbhängen.[ii]

Der Verbindung dieses attraktiven Naturraums mit der über den Elbstrand steil aufragenden Geestkante und den historischen Gestaltungselementen verdankt der Hirschpark sein besonderes Gepräge. Vom Elbuferhöhenweg bieten sich dem Besucher weite Blicke über das Elbtal und bis hinüber zu den gegenüberliegenden Geesthängen der Harburger Berge. Im Park wechseln auf dem hochgelegenen Plateau dichte Buchenbestände mit weiten Wiesenflächen ab, kontrastieren üppige Rhododendronpflanzungen mit der barock anmutenden Lindenallee, während ein ausladendes Rasenoval den Blick auf ein repräsentatives Landhaus freigibt.

Der Hirschpark kann als Prototyp einer „gewachsenen“ Anlage gelten, der mehrere Generationen ihren je eigenen Stempel aufgeprägt haben. Beispielhaft lassen sich darin verschiedene Gestaltungsphasen vom spätbarocken Bürgergarten bis zur öffentlichen Parkanlage der Reformgartenzeit des 20. Jahrhunderts ablesen. Daher haben die Hamburger Behörde für Stadtentwicklung und Umwelt, Abteilung Gartendenkmalpflege, und das Bezirksamt Altona einen Pflege- und Entwicklungsplan erarbeiten lassen,[iii] der die verschiedenen Zeitschichten künftig deutlicher ablesbar machen soll.

Landwirtschaft und spätbarocker Bürgergarten

Seit dem 18. Jahrhundert ist die landwirtschaftliche Nutzung der sandigen Geestlandschaft beim Dorf Dockenhuden auf dem Gebiet des späteren Hirschparks unter verschiedenen Eigentümern belegt.[iv] Doch erst mit der Arrondierung einzelner Flurstücke zu einem größeren, zusammenhängenden Landbesitz unter dem Kaufmann Johann Berend Rodde (1720–1786) scheint eine erste Ziergartenanlage nennenswerten Ausmaßes entstanden zu sein. Anzeichen für einen solchen Bürgergarten sind auf einer 1789 aufgenommenen Verkoppelungskarte von Dockenhuden in einigen linearen Gehölzstrukturen zu erkennen.
Diese Karte gibt jedoch bis heute Rätsel auf: Ist die darin verzeichnete Bauernkate identisch mit dem noch vorhandenen, allerdings umgebauten Bauernhaus, dem sog. Witthüs, das als ehemalige Hofstelle ein wichtiges Zeugnis der bäuerlichen Kultur der westlichen Elbvororte darstellt?[v] Zeigt sich in der doppelten Baumreihe, die auf dieses Gebäude zuläuft, bereits die heutige Lindenallee? Und wenn ja, warum ist diese Allee heute zur Hälfte zwei- und zur Hälfte vierreihig?
Nur wenige weitere Elemente dieses ersten Ziergartens haben sich bis in die Gegenwart erhalten, darunter ein alter Eichenhain und die Reste eines heute im Gehölz verborgenen einstigen Aussichtsplatzes.[vi] Doch zeigt die Karte, dass die Aussichten bereits in dieser spätbarocken Gartenphase durch Plätze und Sichtachsen absichtsvoll in Szene gesetzt waren.

Repräsentativer Landsitz im empfindsamen landschaftlichen Stil

Während Rodde in Dockenhuden noch den alten geometrischen Gartenstil pflegte, hatte die moderne Gestaltung im landschaftlichen Stil den Kontinent aus England bereits erreicht. Unter den ersten, die im Hamburger Raum diesem neuen Ideal huldigten, waren der Kaufmann Caspar Voght (1752-1839), der in Flottbek am Elbhang eine große ornamented farm mit repräsentativem Landhaus schuf (heute Jenischpark), sowie Georg Heinrich Sieveking (1751–1799), der mit befreundeten Kaufmannsfamilien einen Landschaftsgarten im Elbhangbereich von Neumühlen (heute Donners Park) erwarb und neu gestalten ließ.

Doch früher noch als diese beiden griffen zwei Brüder aus der Familie französischer Immigranten den neuen Trend auf: Von Roddes Erben erwarb der Hamburger Kaufmann Jean César IV. Godeffroy (1742–1818) das Gelände in Dockenhuden und ließ darauf zwischen 1789 und 1792 von dem noch wenig bekannten Architekten Christian Frederick Hansen (1756–1845) ein klassizistisches Landhaus errichten. Es ist das früheste der 22 Hansen-Bauten für das Hamburger Bürgertum.[vii] Direkt benachbart entstand wenige Jahre später der Landsitz seines Bruders Pierre Godeffroy (1749–1822).

In seiner Frühphase wurde der Garten des Jean César IV. von Besuchern wegen seiner attraktiven Aussichten auf die Elbe, auf das Dorf Dockenhuden und das Mühlenberger Tal aufgesucht, das sich zwischen seinem Landsitz und dem seines Bruders erstreckte. Zeitgenossen beschreiben das Anwesen Jean Césars IV. wohl wegen seines hügeligen Terrains als „schweizerisch“, ein Eindruck, der auch beabsichtigt war, wie eine Präsentationszeichnung des von Hansen geplanten Landhauses nahe legt, wenn er das Gebäude vor eine imaginierte Gebirgskulisse platziert. Aber auch Anspielungen auf die bürgerliche Freiheit und den von Rousseau propagierten versittlichenden Einfluss der Natur[viii] können durchaus mitgedacht gewesen sein. Wie Caspar Voghts Anlage in Flottbek schmückten auch Godeffroys Garten romantisierende Inschriften – so an einer Gartenlaube[ix] und auch am Herrenhaus („Der Ruhe weisem Genuss“) –, aus denen sich die Intentionen dieses „ländlich einfachen“ Rückzugsortes mit einem derart repräsentativen Landhaus erschließen lassen.
Damit zeigte das Anwesen bereits in seiner Frühphase divergierende Gestaltungselemente. Die repräsentative Lindenallee passte eigentlich nicht zu einem ungezwungenen landschaftlichen Garten, schon gar nicht in Gestalt einer Doppelallee. Es mag der Pietät gegenüber den Baumriesen geschuldet gewesen sein, dass die Godeffroys die Lindenallee abseits des Haupteingangs bestehen, sie im westlichen Teil jedoch abräumen ließen, um den Blick auf das neue Landhaus nicht zu behindern. Doch sicher ist dies nicht. Und ein bis heute erhaltener Lindenhain lässt gar keine Gestaltungsabsicht erkennen.

Ganz und gar ungewöhnlich ist auch eine kleiner Tunnel, der einen quer durch den Garten verlaufenden öffentlichen Weg, den Blankeneser Kirchweg, unterquerte. Er erlaubte, von den Kirchgängern ungesehen an die pittoreske Aussichtsplattform am Südrand des Gartens zu gelangen.

Ergänzungen im „klassischen“ landschaftlichen Stil

In der folgenden Generation ließ Johan César V. Godeffroy (1786–1845) zwischen 1821 und 1835 von Alexis de Chateauneuf (1799–1853) ein Gärtnerhaus errichten.[x]  Forschungen im Rahmen der Pflege- und Entwicklungsplanung konnten belegen, dass dieses Gebäude nicht – wie bisher angenommen – nach dem Zweiten Weltkrieg abgerissen worden war, sondern sich in den Kellergewölben und Erdgeschossmauern im Haus Elbchaussee 491 (Abb. 5) bis heute erhalten hat.

Die früheste Ansicht des Herrenhauses und einige Lagepläne lassen einen landschaftlichen Park erkennen, dessen Ränder nun mehr und mehr durch Gehölzpflanzungen einwuchsen. Ein am Parkrand verlaufender beltwalk mit Ausblicken auf die umgebende Landschaft und offene Wiesen- und Wasserflächen in der Parkmitte erinnert an die damals populären, „klassischen“ Gestaltungen eines Lancelot Brown in England oder eines Joseph Jacques Ramée (1764–1842) in Hamburg.[xi] Ob Ramée, der zeitweilig südlich des Godeffroy’schen Gartens wohnte,[xii] bei der Überarbeitung des Gartens mitgewirkt hat, wird sich wohl nicht mehr klären lassen.

Ergänzungen im Stil des Biedermeier und der Reformgartenkunst

In der zweiten Hälfte des 19. Jahrhunderts lassen sich sowohl biedermeierliche Partien als auch Reformgartenelemente ausmachen. 1873 wird eine „erst in neuerer Zeit entstandene Gartenanlage im französischen Styl“ mit Teppichbeeten unweit des Herrenhauses erwähnt.[xiii] Es handelt sich dabei vermutlich um den sogenannten Französischen Garten oder Antikengarten, dessen Reste sich bis heute erhalten haben. Er wurde zum Schmuckstück des Gartens, in dem eiserne Antikenrepliken und Blumenvasen aufgestellt und ein kleiner Springbrunnen installiert waren. Die Villa war in dieser Zeit „grünumrankt“ und die Teiche mit Goldfischen besetzt.[xiv]

Hatte die Anlage in der Frühzeit noch eine recht klare Komposition erkennen lassen, so änderte sich dies nun durch eine Fülle kleinteiliger Ausstattungselemente: Die heute ausgedehnten Rhododendronpflanzungen soll Johan César VI. Godeffroy (1813–1885) veranlasst haben.[xv] Im Bereich nördlich des alten Gärtnerhauses lagen eine Reihe von Gewächshäusern und ein Gemüsegarten. Wahrscheinlich datiert auch das architektonisch ungewöhnliche Wild-Futterhaus aus dieser Phase. In seinem rustikal und bunt verspielten Stil ist es ein ungewöhnliches Relikt des 19. Jahrhunderts. Unklar ist, ob die in Fotografien des frühen 20. Jahrhundert erkennbaren Knüppelholzbrücken über den schmalen Parkteich noch aus Godeffroy’scher Zeit datierten. Unter dem jagdbegeisterten Johan César VI. entstand um 1860 im Park ein Rehwildzwinger.[xvi]

Die personengeschichtliche Bedeutung des Parks verdankt sich vor allem der Familie Godeffroy. Ihre wechselvolle Geschichte wurde Anfang des 20. Jahrhunderts zusammengestellt,[xvii] erschien 1998 in Romanform[xviii] und ist erst 2006 in einer weiteren Untersuchung veröffentlicht worden.[xix] Unter den Familienmitgliedern ragt insbesondere Jean César VI. heraus. Von 1859 bis 1864 war er Mitglied der Hamburgischen Bürgerschaft, war auch Mitbegründer der Norddeutschen Bank und der Norddeutschen Versicherungsgesellschaft. Seine geschäftlichen Aktivitäten in Australien und Samoa brachten ihm den Titel eines „ungekrönten Königs der Südsee“ und die Ehrenmitgliedschaft in der Berliner Gesellschaft für Anthropologie, Ethnologie und Urgeschichte ein: Seine Kapitäne hatte er angehalten, zoologisches, botanisches und völkerkundliches Material von ihren Reisen mitzubringen  und im 1861 eröffneten Museum Godeffroy ausstellen ließ.

Nach der Zahlungseinstellung des Handelshauses Godeffroy wurde der Besitz 1889 an den Industriellen und Gartenenthusiasten Ernst August Wriedt (1842–1923) veräußert. Zahlreiche Postkarten des Französischen Gartens aus dem frühen 20. Jahrhundert belegen, dass dieser Gartenteil mit seinen wechselnden Blumenarrangements ebenso wie der Hirschzwinger ein beliebtes Ausflugziel gewesen ist.

Nach Wriedts Ableben erstand 1921 der Rigaer Holzindustrielle Ferdinand Nather (1871–1924) das Anwesen, verbrachte dort aber nur ein Jahr bis zu seinem frühen Tod im Februar 1924.[xx]

Umbau zur öffentlichen Parkanlage

In dieser Situation drohte die Parzellierung und Bebauung des Parkgeländes. Es traf sich aber, dass Altonas Oberbürgermeister Max Brauer (1887–1973) sowie Bausenator und Stadtbaurat Gustav Oelsner (1879–1956) die Eingemeindung der Elbvororte planten, um Altona aus dem Schatten Hamburgs heraustreten zu lassen. Oelsner entwarf für Altona das Leitbild einer Stadt im Grünen mit drei ringförmigen Grüngürteln und forderte den Erhalt der großen privaten Landschaftsparks in den Elbvororten.[xxi] So erwarb die Stadt Altona 1924 den Hirschpark, der Teil des dritten Gürtels werden sollte. Ein Lageplan dieser Zeit gibt das damalige Wegenetz genau wieder.

Gartendirektor Ferdinand Tutenberg (1874–1956) entwarf einen Umgestaltungsplan, der die südliche Parkerschließung, einen Spielplatz unterhalb des Französischen Gartens, einen repräsentativen Zugangsplatz zum Hirschgatter sowie einen neuen geometrischen Blumenschaugarten mit einer zentralen Pergola am Nordrand vorsah. Um Erwerb und Umgestaltung zu finanzieren, erfolgte die Parzellierung und Freigabe des östlichen Parkteils zur Wohnbebauung.

Das Wegesystem erweiterte Tutenberg an Kreuzungspunkten zu kleinen Rundplätzen und ließ die große Lindenallee mit kleinen Nachpflanzungen weiterführen. Zwischen 1924 und 1929 entstand mit einer axial auf die neue Parkmitte bezogenen Treppenanlage (Hirschtreppe) erstmals ein Zugang vom Elbuferweg über die Geestkante zum Park. Ziel war offenbar seine Erschließung für eine größere Öffentlichkeit. Zur Entwässerung der sogenannten Hirschweide erfolgte 1929 eine Verlegung des Damwilds auf die südlich gelegene Spielweide.[xxii] Typisch für Tutenberg passte er seine Planungen dem vorhandenen Bestand sehr genau an und verzichtete auf einen neuen „großen Wurf“. Eine vergleichbare Sensibilität hatte er bereits bei der Ausrichtung der Altonaer Gartenbauausstellung im Jahr 1914 bewiesen, was ihm damals von Kollegen nicht nur Lob eingebracht hatte.[xxiii] So zerstörte er auch im Hirschpark nur wenige der überkommenen Strukturen und fügte lediglich eine weitere Gestaltungsschicht hinzu. Die Entbehrungen der Jahre nach dem Zweiten Weltkrieg führten jedoch dazu, dass nur wenige seiner Neuerungen erhalten blieben, denn gerade sie hätten intensiverer gärtnerischer Pflege bedurft.

Wie in vielen anderen Hamburger Parks wurden nach dem Zweiten Weltkrieg auch im Hirschpark zeitweise Nahrungsmittel auf ehemaligen Wiesenflächen angebaut.[xxiv] Das alte Landhaus diente als Schule für die Kinder der Alliierten und wurde erst 1958 an die Gartenbauabteilung Altona übergeben.[xxv] In den folgenden Jahrzehnten wurden die inzwischen maroden eisernen Antikenrepliken des Französischen Gartens entfernt und durch die Plastik einer ‚Flora’ ersetzt, die aber heute ebenfalls nicht mehr vorhanden ist. Die einst üppige Bepflanzung dieses Gartenteils wich einfachen Sommerblumenstreifen. Die Lindenterrasse und deren massive Treppe mit den beiden metallenen Hirschplastiken wurde ebenso rückgebaut wie die zentrale Treppe zum Elbuferweg.[xxvi]

Wenig bekannt ist die Tatsache, dass der Schriftsteller Hans Henny Jahnn (1894–1959)[xxvii] in den 1950er-Jahren das Bauernhaus im Hirschpark bewohnte. Jahnn gilt als Orgelbauer von Weltruf, als erfolgreicher Hormonforscher und ist eine singuläre Erscheinung der deutschen Literatur.[xxviii] An ihn erinnert heute ein in die Giebelwand des Hauses eingelassener Gedenkstein.

In den 1980er-Jahren entstand ein buchsgerahmter Bauerngarten am nun gastronomisch genutzten Bauernhaus, den ‚Witthüs Teestuben’. Das alte Landhaus beherbergt seit 1972 die Lola Rogge-Schule für Tanz und Performance.

Wie so viele Parks am hohen Elbufer hat auch der Hirschpark in den letzten Jahren unter der zunehmenden Bautätigkeit Hamburgs gelitten. Der einst freie Ausblick über die Elbe fällt seit 2003 u. a. auch auf eine Erweiterungsfläche der Airbus Deutschland GmbH. Und ein geplanter Leuchtturm, der im Südhang des Parks entstehen soll, wird die Qualität dieser Aussicht weiter mindern.

 Planungen und Entwicklungen

Neben regelmäßigen Pflegemaßnahmen wie Gehölzschnitt und Entschlammung der Teichanlage wird ein wesentliches Ziel zukünftiger Parkpflege die Betonung der besonderen Lage des Hirschparks am Rand des Elbtals sein, die sich insbesondere durch Blickbeziehungen und Aussichtspunkte am Hochufer ausdrückt. Neben Wiederherstellungsarbeiten – wie Freistellung eines zugewachsenen Aussichtspunktes südwestlich des Landhauses und Reaktivierung des rudimentär erhaltenen Lindenrondells – soll ein neuer Weg mit einem weiteren Aussichtspunkt südlich des Herrenhauses das Wegenetz ergänzen. Von hier aus wären dann wieder Ausblicke über das markante Mühlental in Richtung auf den benachbarten Baurspark und ins Elbtal möglich.

Pflanzen, die auf der Roten Liste stehen, geben dem Elbhang am Mühlenberg eine besondere Bedeutung. Aus botanischer Sicht muss daher jeglicher baulicher Eingriff vermieden werden. Ähnlich sensibel sind die ausgehagerten Wald-Hangpartien im Süden des Parks. Ein eigens erstelltes forstökologisches Gutachten bewertet die Bedeutung der Waldflächen sowie deren Entwicklungsziele und sieht die Verjüngung und Stabilisierung der Baumbestände vor.[xxix] Zur Förderung der heimischen Mischbaumarten Eiche und Linde und zur Verbesserung der Vertikalstruktur werden hier deutliche Auslichtungen nötig sein.

Die Überarbeitung des bestehenden Wegenetzes beruht auf dessen historisch belegtem Verlauf und soll die Besucherlenkung vereinfachen. Alle Wege sollen künftig in festgelegten Wegebreiten mit Grandbelag ausgebildet werden; derzeit asphaltierte Bereiche sind entsprechend zu erneuern. Zum Schutz des Belages vor Erosion durch ausspülendes Regenwasser sollen unterirdische Rigolen das Wasser geregelt ableiten.

Sofern das Hirschgehege langfristig an die Nordseite des Parks rückverlegt werden kann, wäre in Verlängerung des ‚Hirschparkwegs’, der heute noch vor den Parkgrenzen endet, auch die Rekonstruktion eines historischen südlichen Querwegs mit einer Brückenrekonstruktion über den Teich und damit eine der ehemals attraktivsten Wegediagonalen von Südost nach Nordwest möglich. In diesem Fall könnte an der Stelle des jetzigen Gatters eine neue Liegewiese entstehen.

In dem seit 2003 denkmalgeschützten Park,[xxx] der zu den frühesten Landschaftsparks an der Elbe zählt, sind viele Elemente erhalten, in denen sich verschiedene Phasen der Gartenkunst seit dem späten 18. Jahrhundert abbilden. Eine Überarbeitung dieser verschiedenen Elemente zu einem stilistisch einheitlichen Ganzen ist aber zu keiner Zeit erfolgt. Eindrucksvollstes Beispiel hierfür ist die große Lindenallee, die seit der Errichtung des Hansen’schen Herrenhauses „herrlich sinnlos … in der Landschaft steht“.[xxxi] Der Hirschpark zeugt vom Wirken seiner Besitzer, die als gartenkünstlerische Amateure den Garten über Generationen nach dem jeweiligen Zeitgeschmack ergänzt haben. Hinter einem überregional bedeutenden Gesamtkunstwerk wie der etwa zeitgleich entstandenen ornamented farm des Caspar Voght in Flottbek besitzt der Hirschpark als Einzelobjekt nur regionale Bedeutung. Verglichen mit anderen ehemals Godeffroy’schen Parkbesitzungen in unmittelbarer Nachbarschaft, wie der von 1855 bis 1935 bestehenden Besitzung ‚Beausite’ von Gustav Godeffroy (1817–1883),[xxxii] dem bis heute bestehenden Besitz ‚Die Bost’, die nach Joseph Ramée auch von Richard Godeffroy (1798–1864) bewohnt wurde,[xxxiii] sowie dem heute noch privaten Park um das ‚Weiße Haus’ von Pierre Godeffroy,[xxxiv] bildete der Hirschpark allerdings die zentrale Anlage. Rechnet man die ausgedehnten Landbesitzungen Johan César VI. Godeffroys hinzu, so war der Hirschpark im 19. Jahrhundert das Zentrum eines bedeutenden Park- und Forstensembles.

Resümee

Der Hirschpark stellt heute eine Einheit von historisch bedeutenden architektonischen und gartenkünstlerischen Elementen verschiedener Phasen vom 18. bis zum 20. Jahrhundert dar. Eine Wiederherstellung des Parks in seiner ursprünglichen Ausdehnung vor der Parzellierung ist wegen der vorhandenen Bebauung ausgeschlossen. Aus heutiger Sicht kann auch keine der nachvollziehbaren Parkphasen einen absoluten Vorrang aus gartenkünstlerischen, städtebaulich architektonischen oder personengeschichtlichen Gründen beanspruchen. Als Leitbild der weiteren Parkentwicklung wird deshalb der Erhalt der historischen Substanz in Teilräumen angestrebt, die sich aufgrund ihres heutigen Bestandes einzelnen Parkphasen zuordnen lassen und so den Entwicklungsprozess als Ergebnis des Zusammenwirkens auch der an der Parkentwicklung beteiligten Personen abbilden. Der Erhalt des abbruchgefährdeten ehemaligen Gärtnerhauses war ein erster Schritt der Umsetzung des Gutachtens, das am historischen Vorbild orientierte Bepflanzungskonzept des Französischen Gartens ein weiterer. Es ist zu hoffen, dass im Zuge der geplanten Internationalen Gartenschau (IGS) in Hamburg und dem Bemühen privater Förderer wie dem Verein der Freunde des Hirschparks e.V. auch weitere Elemente dieses vielgestaltigen Parkraums in neuem Glanz wiedererstehen we

ANMERKUNGEN

[i] Nevermann, Friedrich Theodor (1792): Almanach aller um Hamburg liegenden Gärten, Hamburg, S. 8

[ii] Für Hinweise, Korrekturen und Bildmaterial danke ich Gerhard Albrecht, Brunhilde Bontrup, Sylvia Borgmann und Dr. Johann Diederich Hahn-Godeffroy

[iii] Meyer, Ulrich/Dieter Schramm/Brunhilde Bontrup (2007): Hirschpark. Pflege- und Entwicklungsplan (in Zusammenarb. mit Joachim Schnitter), unveröff. Ms. für das Bezirksamt Altona, Fachamt Management des öffentlichen Raumes, Abt. Stadtgrün, Hamburg

[iv] Ehrenberg, Richard (1972): Aus der Vorzeit von Blankenese und den benachbarten Ortschaften Wedel, Dockenhuden, Nienstedten und Flottbek, Hamburg, S. 94–96; Raben, Gustav-Adolf (o. J.): Der Hirschpark. Seine historische Entwicklung, unveröff. Ms. im Denkmalschutzamt Hamburg, o. O. [Hamburg, um 1993]

[v] Klée Gobert, Renata (1953): Die Bau- und Kunstdenkmale der Freien und Hansestadt Hamburg. Bd. 2: Altona, Elbvororte, Hamburg, S. 225

[vi] Frdl. Hinweis auf dieses Rondell von Sylvia Borgmann und Stephan Landgraf

[vii] Brose, Judy (o. J.): Baumeister im Grünen: „Der Ruhe weisem Genuss“. In: Der Hirschpark (Hamburger Klönschnack 1), Hamburg, S. 66–73, hier S. 71

[viii] Rousseau, Jean Jacques (1761): Julie oder Die neue Heloise. Briefe zweier Liebender aus einer kleinen Stadt am Fuße der Alpen. Übersetzt von J. G. Gellius u. a., Leipzig, verb. Neuaufl. 1776

[ix] Nevermann (1792), S. 8

[x] Chateauneuf, Alexis de (1839): Architectura domestica, Hamburg, Taf. 1

[xi] Vgl. Ingrid A. Schubert (2003): „… und er gestaltete überdies all die ausgedehnten Parks und Gärten in der Umgebung dieser blühenden Stadt“. In: Joseph Ramée. Gartenkunst, Architektur und Dekoration. Ein internationaler Baukünstler des Klassizismus; hrsg. von Bärbel Hedinger und Julia Berger, München/Berlin, S. 37–59

[xii] Ebd., S. 55

[xiii] Drei Tage in Hamburg, Hamburg 1873, S. 69

[xiv] Ebd., S. 68

[xv] Holst, Maike (o. J.): Die Botanik im Hirschpark. Majestätische Würde, prachtvolle Schönheit. In: Der Hirschpark (Hamburger Klönschnack 1), Hamburg, S. 14–25, hier S. 23

[xvi] Walden, Hans (2002): Stadt – Wald: Untersuchungen zur Grüngeschichte Hamburgs (Beitr. z. Hamburgischen Geschichte 1), Hamburg, S. 358 ff.; Seemann, Agnes, Dr. (2003): Denkmalwert des Ensembles Hirschpark und seiner Bauten, unveröff. Ms. im Hamburger Denkmalschutzamt, o.S., nimmt 1860 als Entstehungsjahr des Zwingers an. Den Zwinger erwähnt auch ‚Drei Tage in Hamburg’ (1873), S. 69

[xvii] Das Ms. „Die Godeffroÿs: Familiengeschichte von Oscar Godeffroÿ“ befindet sich im Hamburger Staatsarchiv (622-1/27: Carl v. Godeffroy: XIV 11)

[xviii] Hoffmann, Gabriele (1998): Das Haus an der Elbchaussee: Die Godeffroys – Aufstieg und Niedergang einer Dynastie, Regensburg

[xix] Gossler, Claus (2006): Die Société Commerciale de l’Océanie (1876–1914). Aufstieg und Untergang der Hamburger Godeffroys in Ost-Polynesien, Bremen

[xx] Holst, Ronald (o. J.): Diesmal war es nicht der Gärtner. Mord aus Eifersucht oder Die Liebe höret nimmer auf. In: Der Hirschpark (Hamburger Klönschnack 1), Hamburg, S. 46–49

[xxi] Timm, Christoph (1984): Gustav Oelsner und das neue Altona. Kommunale Architektur und Stadtplanung in der Weimarer Republik, Hamburg, S. 116–117

[xxii] Ein Besuch bei unserm Gartenbaudirektor Tutenberg. In: Norddeutsche Nachrichten/Altonaer Anzeiger 69, 51. Jahrg., 1. Beil., 22. 3. 1929

[xxiii] Migge, Leberecht (1914): Die Gartenbauausstellung Altona 1914. In: Die Gartenkunst 27.3, S. 46–47

[xxiv] Vgl. Englische Bilder 47, Aufn. v. 3. 4. 1946, Staatsarchiv Hamburg, Luftbilder, Inventarnummer 4219

[xxv] Grützner, Winfried (o. J.): Zwei Dörfer. Der Zusammenschluß von Blankenese und Dockenhuden am 19. März 1919. In: Der Hirschpark (Hamburger Klönschnack 1), Hamburg, S. 13

[xxvi] Vgl. Luftbilder im Staatsarchiv Hamburg, Streifen 5, Nr. 77, Film 14, Bild 1071 vom 6. 5. 1952 sowie Film 5, Bild 209; Film 5, Bild 210; Film 5, Bild 211 vom 15. 10. 1963

[xxvii] Eigentl. Hans Henry Jahn

[xxviii] Vgl. Helmut Schwalbach (o. J.): Suche nach dem Unbequemen. Hans Henny Jahnn: “Ich bin kein Museum“. In: Der Hirschpark (Hamburger Klönschnack 1), Hamburg, S. 38–41

[xxix] Büro Suner & Westphal (2007): Ökologisches Pflege- und Entwicklungskonzept für die Gehölzbestände im Hirschpark, unveröff. Ms. im Bezirksamt Altona, Fachamt Management des öffentlichen Raumes, Abt. Stadtgrün

[xxx] Seemann (2003), o.S.

[xxxi] Grützner (o. J.), S. 10

[xxxii] Vgl. Paul Th. Hoffmann (1937): Die Elbchaussee. Ihre Landsitze, Menschen und Schicksale, Hamburg, S. 221–227

[xxxiii] Ebd., S. 233

[xxxiv] Ebd., S. 249–257