Per Olof Emanuel Eneroth (1825-1881)
Vortrag vor der Deutschen Gesellschaft für Gartenkunst und Landschaftskultur, Landesverband Hamburg/Schleswig-Holstein im Dezember 2007
„Es mag vermessen klingen, wenn man sagt,
man wolle das Volk lehren zu wollen.
Aber wie das auch klingt, – ich habe etwas Derartiges gewählt
und ich will es.
Ich habe gewählt, als Gartenmann verkleidet Ästhetik zu pflanzen,
habe Ästhetik
in jeden einzelnen Apfelbiss gelegt“
(Olof Eneroth, 1864)
Er galt seinen Zeitgenossen als „Vater der schwedischen Pomologie“, „warmherziger Volksschulfreund“ und engagierter Förderer der Gartenkultur. Aus ärmlichen Verhältnissen stammend, erarbeitete sich Per Olof Emanuel Eneroth einen Doktortitel in Philosophie, künstlerische und wissenschaftliche Auszeichnungen und die Freundschaft vieler Größen aus dem schwedischen Geistesleben wie der Schriftstellerin Fredrika Bremer, dem Botaniker Elias Fries und dem Schulreformer Thorsten Rudenschöld. Als Lehrer einer bedeutenden Gärtnermeisterschule, Gartendirektor der schwedischen Eisenbahn, als Gartengestalter, -berater und -autor ist seine Bedeutung für die Entwicklung der schwedischen Gartenkultur unbestritten. Als Pomologe besaß er in seiner Zeit auch in Deutschland einen guten Ruf. Der Vortrag basierte auf Joachim Schnitters im Juni 2009 abgeschlossener Dissertation über Leben und Werk dieses hart gesottenen Idealisten voller Widersprüche.
Sein Leben oszillierte zwischen dem Bedürfnis nach einer künstlerischen Existenz und der Arbeit an der Popularisierung der Gartenkultur, mit allen Hoffnungen auf Demokratisierung und Bildung, die sich in dieser Zeit bei Vielen damit verknüpfte. Verdienste erwarb er sich dabei neben seinen pomologischen Arbeiten vor allem als einer der wichtigsten Autoren zu Schulgärten.
In Schulgärten sah Eneroth ein wirksames Mittel, Kinder zu verantwortungsvollen „Kultivateuren“ der Natur zu bilden. Arbeit an der Natur begriff er als Instrument einer wechselseitigen Veredelung von Mensch und Natur im Prozess. In diesem Sinne kann sein künstlerisch anspruchsvollster Schulgartenplan als Nukleus der Kultivierung interpretiert werden, von dem ausgehend eine neue Gesellschaft heranwachsen sollte.
Sein Bildungshunger hatte ihn an die Universität Uppsala geführt, doch verachtete er das „Schreibtischleben“ und die „Salonbildung“. Mit theatralischem Gestus entschied er sich daher zu einem Leben als Gärtner – und bereitete gleichzeitig seine Doktorprüfung vor. Doch mit freiheitlichem Pathos trat er noch am Tag seiner Promotion erneut eine Arbeit als Gärtner an. Unter beispiellosem Einsatz gelang es ihm, 5000 Obstgehölze in 1500 Varietäten auf verschiedenen Privatgütern aufpfropfen zu lassen und ihre Verträglichkeit im schwedischen Klima zu beobachten. Ohne staatliche Unterstützung bereitete er so die Errichtung eines pomologischen Reichsgartens vor; eine Hoffnung, die sich ihm jedoch nie erfüllte.
Doch der „Mann mit den seelevollen Augen“ war in seiner Arbeit auch zynisch und berechnend. Sich selbst verstand er gleichzeitig als Märtyrer und als ‚Schlange im Gras’. Mit der Beförderung der Gartenkultur wollte er unbemerkt die geistige Bildung des Volks vorantreiben: „Als Gartenmann verkleidet“ habe er es „gewählt, Ästhetik zu pflanzen, Ästhetik in jeden Apfelbiss gelegt“. Gegenüber Gutsbesitzern, die seinen fachlichen Rat einholten, sah er sich in einer ähnlichen Rolle: Auf diese wollte er unbemerkt „in der Volkserziehungsfrage“ einwirken und sie zur Finanzierung von Schulen und Schulgärten überreden. Eneroths Aufeinandertreffen mit dem wohlhabenden Baron Seth Adelswärd zeigt, mit welcher Hartnäckigkeit der dichtende Gärtner ‚widerspenstige’ Gutsbesitzer bearbeitete. Gleichzeitig bombardierte er die Öffentlichkeit mit kleineren und größeren Schriften zu Gartenbau, Volksschule, Kunst und Literatur, mit Zeitungsartikeln und Gedichten.
Wohl auch infolge einer chronischen Nervenüberreizung, die zunehmend sein Sehvermögen beeinträchtigte, wich seine in jüngeren Jahren optimistische Haltung in den 70er Jahren der Resignation. Dennoch arbeitete er in autobiographischen Aufzeichnungen daran, dass das Bild eines Auserwählten Gottes und eines ‚Eremiten in seiner Zelle’ auch die Nachwelt übernehmen würde.
In seinem Testament bestimmte er eine überraschend hohe Summe der Stiftung einer „Professur in der Lehre des Zusammenhanges zwischen Naturgesetzen und der geistigen und körperlichen Natur des Menschen“. Ein halbes Jahrhundert später war gemäß seinem Willen die Stiftungssumme durch Verzinsung so weit angewachsen, dass der bis heute bestehende Olof-Eneroth-Lehrstuhl für Psychologie an der Universität Stockholm eingerichtet werden konnte.